Die Pfalz

karte1Sicher, auch in der Pfalz scheint die Sonne nicht ununterbrochen. Aber 1800 Sonnenstunden  im Jahr (in guten Jahren sogar mehr) wecken natürlich mediterrane Gefühle. Und wenn woanders noch novembergraue Tristesse aufs Gemüt  drückt, sorgen an der Weinstraße zartes Grün und pinkfarbene Mandelblütentupfer schon für erste Frühlingsfreuden. Dann zaudern sie in  Gimmeldingen nicht lange: Das Mandelblütenfest wird manchmal schon Mitte März gefeiert, eben zu der Zeit, wenn rosa Wattebüschel, in  mildes Sonnenlicht getaucht, die Weinbergs-Landschaft in Traum-Aquarelle verwandelt. So beginnt die Weinfest-Saison, und sie endet erst,  wenn St. Martin seinen Mantel teilt. Dann, Anfang November, verliert auch meist der rot-braun-gelbe Farbenrausch des Herbstes an Kraft,  und jetzt, später als anderswo, bekommt Väterchen Frost eine Chance im Rebengarten. So ist das in der Pfalz - aber wer will das schon bedauern?karte2
Dennoch: Die Pfalz ist nicht die Toskana Deutschlands. Die Pfalz ist die Pfalz. Und wenn sich mancher beim Anblick von Feigen,  Orangen und Zitronenbäumen ganz nah am Mittelmeer wähnt, na bitte schön. Und wenn andere bei einem Glas tiefdunklen Pfälzer  Dornfelders, überwältigt von südländischer Anmut und Grazie, die Weinwelt nicht mehr verstehen, na wunderbar. Und wenn dritte  von der Weinfest-Gemütlichkeit schwärmen, sich an verträumten Dörfchen mit malerischen Winzerhöfen und romantischen Burgen  ergötzen - wer will es ihnen verdenken? All das schmeichelt dem Pfälzer und läßt sein Herz im stillen höher schlagen.
Aber so ist die Pfalz. Man kann sich anstecken lassen, vom »savoir
vivre« in diesem Landstrich. Die Weinpfalz, wer will es leugnen, grenzt an Frankreich,  und die südlichsten pfälzischen Weinberge liegen im Elsaß. Das Leben hat eine gewisse Leichtigkeit, die Luft manchmal einen Schwips  und Genuß, ja Genuß, gehört einfach dazu. Kein Wunder, daß an der Deutschen Weinstraße, neben derb-deftigen Gaumenfreuden,  auch die feine Küche längst heimisch geworden ist - und das beileibe nicht nur dort, wo Hauben und Sterne die Weinstraße schmücken.  Kein Wunder auch, daß sich manch französischer Gastronom hier wie zuhause fühlt - zumal etliche Einheimische den Gehsteig noch als  Trottoir bezeichnen, zur Couch Chaiselounge sagen und überhaupt der französische Einfluß immer wieder ins Auge springt. Kein Wunder  auch, daß die Weine der Gegend jenen zusätzlichen Tick an Leichtigkeit, Geschmack und Finesse besitzen, der ihren Machern  Auszeichnung nach Auszeichnung beschert. Der beste Spätburgunder des Jahres 1994 - ein Pfälzer. Die Gewinner beim renommierten  Vinum-Rotwein-Preis 1996? Pfälzer. Und der Erste beim deutschen Riesling-Preis? Genau, Sie wissen es schon. Natürlich gibt es an der Deutschen Weinstraße zwischen dem Zellertal und Bockenheim im Norden und dem Weintor in Schweigen im  Süden nicht nur Klasse. Aber der Trend im zweitgrößten deutschen Weinbaugebiet mit etwa 23.500 Hektar Ausdehnung geht eindeutig  zur Qualität. Mehr als die Hälfte der Weine werden inzwischen trocken oder halbrocken ausgebaut, Tendenz steigend. Etwa zwanzig  Prozent der Rebstöcke tragen rote Trauben, Tendenz steigend. Und neben dem Pfälzer Schoppen, der seit alters her ein halber Liter  und für manchen das Maß aller Dinge ist, bietet der Rebengarten längst auch für verwöhnte Weinnasen Entdeckungen in Hülle und Fülle. Das wußten wahrscheinlich schon die Römer, als sie das milde Klima für die Rebzucht nutzten - und dabei waren sie nicht einmal die  ersten. Ob der älteste Wein der Welt, das größte Faß oder die erste Weinstraße - seit tausenden von Jahren rankt sich (fast) alles hier  um den Wein. »Zum Wohl. Die Pfalz.« heißt das Motto der Weinbau-Region im südwestlichsten Zipfel Deutschlands - und mehr muß  man, mit einem gefüllten Glas Riesling, Grauburgunder oder Portugieser Weißherbst in der Hand, eigentlich auch nicht sagen. Also  dann: »Zum Wohl. Die Pfalz.«

Man kann über die landschaftsprägende Kraft des Weins in der Pfalz plaudern, an die Römer erinnern oder darauf verweisen, daß die Weinrebe im Oberrheintal einen ihrer natürlichen Ursprungsorte hat (noch heute wachsen im Auwald an einigen Stellen Wildreben). Man kann aber auch Zahlen sprechen lassen, um dem, den´s interessiert, reinen Wein über die Pfalz einzuschenken.Landschaft

Also dann: 23.559 Hektar mißt das Rebenmeer, die Pfalz ist damit der Fläche nach das zweitgrößte Weinbaugebiet in Deutschland. Mehr als 100 Millionen Rebstöcke stehen auf den 25 Großlagen und 322 Einzellagen und sorgen dafür, daß die Fässer im ehemaligen »Weinkeller des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation« stets gut gefüllt sind.

Etwa 2,4 Millionen Hektoliter Wein produzieren die Weingüter in den 144 Weinbaugemeinden vom Zellertal bis Schweigen, so daß - rein rechneriscRebeh - jede vierte Flasche deutschen Weins als Herkunftsangabe »Pfalz« auf dem Etikett trägt. Rund 8000 Betriebe leben vom Weinbau, davon etwa 3000 im Nebenerwerb. Und damit solche Größe die Konkurrenz nicht zu sehr einschüchtert, haben die Pfälzer ihr Gebiet in zwei leicht verdaulichere Häppchen gegliedert: Die Südliche Weinstraße sowie die Mittelhaardt/Deutsche Weinstraße.

Spitzen-Weingüter und -Winzergenossenschaften, Sterneköche und viele Initiativen für die Weinkultur jenseits des Schoppen-Maßes schlagen neue Töne an und finden damit weit über die Landesgrenzen hinaus Gehör. Sicher wird entlang der Weinstraße auch lieblicher Wein angebaut, doch längst nicht mehr so viel wie früher: Etwa die Hälfte der Produkte aus dem Anbaugebiet werden inzwischen trocken oder halbtrocken ausgebaut, Tendenz steigend. So ist das mit den Vorurteilen - in den Köpfen mancher Menschen hängt noch das Bild der gemütlich schunkelnden Weinprovinz, während eine stets wachsende Zahl von Spitzenerzeugern national und international immer mehr Beachtung findet und einen Preis nach dem anderen in die Pfalz holt.

Auf dem Vormarsch sind seit einigen Jahren vor allem klassische Sorten, allen voran der Riesling. Der »König der Weißweine« ist in der Pfalz inzwischen unbestritten die Nummer eins mit weit mehr als 5000 Hektar Anbaufläche. Auch die edlen Weiß- und Grauburgunder aus pfälzischen Betrieben machen bei Wettbewerben immer häufiger eine exzellente Figur. Daneben gehören unter anderen Silvaner, Müller-Thurgau, Scheurebe, Gewürztraminer, Kerner und Morio-Muskat zum vielfältigen Weißwein-Angebot der Pfalz.

Ähnlich nuancenreich präsentiert sich die Palette der Rotweinsorten. Da gibt es spritzig-frische Weißherbste von der Portugieser-Rebe, fruchtige Spätburgunder und, als jüngsten Trend, tiefdunkle Dornfelder. Diese werden in der Pfalz meist trocken ausgebaut und überzeugen mit südländischer Anmut. Die Winzer der Pfalz haben längst auf die steigende Nachfrage nach Rotweinen reagiert. Jeder fünfte Rebstock zwischen Rheintal und Haardtgebirge trägt inzwischen rote Trauben.

Nur wenige wissen, daß die Natur im Weingarten der Pfalz einen Platz in der ersten Reihe besitzt. Denn direkt am Haardtrand erstreckt sich ein ebenso einzigartiges wie unbekanntes Schutzgebiet von fast mediterranem Charakter, in welchem Weinbau und Naturschutz Hand in Hand gehen. Mehr noch: Der Weinbau ist hier Voraussetzung dafür, daß eine besondere Tier- und Pflanzenwelt überlebt. Denn ohne die Arbeit der Winzer auf den terrassierten und schwer zugänglichen Hängen würde sich der Wald ausbreiten und damit vielen einzigartigen Tieren und Pflanzen den Lebensraum nehmen. 40 oft miteinander verbundene Naturschutzgebiete sind in den vergangenen Jahren am Haardtrand ausgewiesen worden. Mehr als 1100 Hektar sind damit für Zaunammer und Schlingnatter, diverse Heuschreckenarten und Pflanzen reserviert. Teile des Reland_04bengürtels bis zur Deutschen Weinstraße zählen damit zum Biosphären-Reservat »Pfälzer Wald« und sind so als international anerkannte Naturschönheit geschützt.

Auch die Winzer der Pfalz legen Wert auf umweltschonende oder ökologische Arbeit. Mehr als 120 Weingüter arbeiten kontrolliert-umweltschonend, mehr als 40 Betriebe haben sich der streng ökologischen Wirtschaftsweise verschrieben und verzichten als Mitglieder im »Bundesverband ökologischer Weinbau« oder als Bioland-Betriebe beispielsweise auf chemisch-synthetischen Pflanzenschutz und düngen nur mit organischen Materialien.

Vielfältig wie die Weinkarte ist auch das Angebot an anderen Produkten, das die Pfalz ihren Besuchern bietet. Winzersekt, häufig nach der aufwendigen Methode der traditionellen Flaschengärung hergestellt, gehört inzwischen bei mehr als 1000 Weingütern und Winzergenossenschaften zum Standard-Angebot. Der Pflege der Sektherstellung in ihrer feinsten Form, eben der traditionellen Flaschengärung, hat sich eine eigerebe_4ne Vereinigung, der VSR, verschrieben. Etwa 30 Betriebe gehören dieser Organisation inzwischen an.

Auch die frankophilen Freunde eines kleinen, üblicherweise 225 Liter fassenden Fäßchens aus Eichenholz kommen in der Pfalz auf ihre Kosten. Barrique heißt das Zauberwort, das immer mehr Weinliebhaber aus Vorfreude auf nuancenreiche Holztöne mit der Zunge schnalzen läßt. Die Pfälzer Barrique-Freunde haben sich schon früh zusammengetan und 1992 das »Pfälzer Barrique Forum« gegründet. Inzwischen zählt der Verein mehr als 30 Weingüter und Winzergenossenschaften zu seinen Mitgliedern. Ziel ist es, die Erfahrungen im Umgang mit dem kleinen Faß auszutauschen, um die höchste Qualität der pfälzischen Barrique-Weine, auch im internationalen Vergleich, zu gewährleisten.

Daß sich aus Trauben auch Hochprozentiges gewinnen läßt, kann jeder schmecken, der eine der zahlreichen Destillerien in der Pfalz besucht. Dort werden aus Weintrauben, aber auch aus Äpfeln, Birnen, Quitten, Kirschen, Himbeeren und Schlehen geistvolle Genüsse gezaubert. Unter dem blauen Signet »Destillerie Pfälzer Edelbrand« wirbt der Verein »Pfälzer Edelbrand« für die feinen Tropfen aus dem sonnigen Südwesten. Die fast 90 Betriebe bauen ihre Produkte teilweise in Holzfässern aus, damit die Brände einen besonderen Charakter erhalten.

Ob Edelbrand, Pfälzer Weinbrand, Wein oder Sekt, Weinessig oder Traubenkernöl - an der Deutschen Weinstraße, dem Lebensnerv und Rückgrat des Gebiets, sind derartige Spezialitäten überall zu haben. 85 Kilometer lang ist die erste und bekannteste Weintouristik-Route der Welt. Was 1935 aus der Not geboren wurde, hat inzwischen in vielen Weinbaugebieten Nachahmer gefunden - und jede Neugründung im In- und Ausland erachten die Pfälzer großzügig als spätes Kompliment.

Zu den Pfälzer Rezepten ...

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Pfälzer Superlative:
Angenommen, man füllte das Dürkheimer Faß - immerhin mit 1,7 Millionen Liter Fassungsvermögen das größte Faß der Welt - mit Wein, und es wäre Wurstmarkt, was würde passieren? Er wäre merklich geschwunden, der Wein aus dem Riesenfaß. Denn die Besucher beim größten Weinfest der Welt trinken etwa 400.000 Liter. In pfälzische Weinwährung umgemünzt: 800.000 Schoppen.